Nebulöser Umgang mit 1 Mio €

Mehrkosten für‘s Volkshaus erst vor zweieinhalb Wochen bemerkt?

Um eine Aussage gleich vorwegzunehmen: natürlich muss und soll die Stadt Meiningen angesichts des erreichten Fertigstellungsstandes die Mehrkosten, die zur funktionsfähigen Nutzbarkeit des quasi fertig sanierten Volkshaussaals notwendig waren und noch sind, nun auch aufbringen - und selbstverständlich müssen insbesondere die Baufirmen, Planer und Sonderfachleute, die Ihre Aufträge von der Stadt Meiningen hier fleißig, termingerecht und gut abgearbeitet und damit den vom Bürgermeister ja schon frühzeitig verkündeten Inbetriebnahmetermin gesichert haben, auch ihr Geld bekommen – das stand und steht überhaupt nicht zur Debatte und darum ging es den Kritikern dieses Beschlussantrages auch in der langen „Diskussion“ des Stadtrates zum Tagesordnungspunkt „überplanmäßige Ausgabe bei der Haushaltsstelle 3213.9400 – Sanierung Volkshaus“ am vergangenen Dienstag überhaupt nicht!

Herr Fickel hatte (übrigens als einziger in der gesamten Runde der Stadträte) in seiner Kritik am Zustandekommen dieses Beschlussantrages sehr wohl recht: allein die sowohl in der Sachdarstellung als insbesondere dann auch vom Bürgermeister in epischer Breite und steter Wiederholung vorgetragenen Gründe für die Notwendigkeit, nunmehr zusätzlich und bislang angeblich weder erkannt noch geplant die stolze Summe von 1 Million Euro für das Volkshaus aufbringen zu müssen, konnten den Zuhörer nicht wirklich überzeugen und würden, so sie denn tatsächlich stimmen, ein ungewohnt schlechtes Bild auf die Arbeit des Bürgermeisters und seiner Verwaltung werfen – mich hat Herr Giesder damit jedenfalls nicht überzeugt.

In der Sachdarstellung der Verwaltung zur Beschlussvorlage wird an mehreren Stellen eingeschätzt, „die Mehrkosten“ (welche konkret sind da gemeint, etwa die angeführte 1 Mio € als Pauschale?) seien „sachlich und zeitlich unabweisbar“. Die sachliche Unabweisbarkeit will ich an dieser Stelle und ohne Detailkenntnis der Dinge gar nicht in Abrede stellen (auch in früheren Bau- und Sanierungsvorhaben der Stadt Meiningen ist es regelmäßig zu Mehrkosten wegen nicht erkannter Mehr- und Zusatzleistungen gekommen), die alles entscheidende Frage hier ist immer, wann wurde die Notwendigkeit dieser Mehrleistungen erkannt und wann und wie wurde durch die Auftraggeberseite darauf reagiert? Gemäß geltendem Haushaltsrecht dürfen Aufträge von Städten und Gemeinden nur durch den Bürgermeister oder einen von ihm Bevollmächtigten außenwirksam ausgelöst werden, und dies auch nur im Rahmen der beschlossenen Haushaltssatzung. Kann die Deckung eventuell erkannter Zusatzkosten aus Zusatz- oder Mehrleistungen nicht durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert (ausgeglichen) werden, können diese so lange nicht zur Ausführung freigegeben, d.h. beauftragt werden, bis deren Absicherung geklärt ist – ab gewissen Grenzen durch einen Nachtragshaushalt, immer natürlich einschließlich auch der „Einnahmenseite“ und unter Beteiligung des Stadtrates bzw. des zuständigen Haupt- und Finanzausschusses, der das auch politisch „absegnen“ muss. Die Baustelle steht dann so lange still!

Diese Verfahrensweise hat in der Stadtverwaltung Meiningen seit Beginn der 90er Jahre eigentlich eine lange Tradition und wurde in der Ära Kupietz stets konsequent betrieben, auch ich musste dabei mitunter „mit Engelszungen reden“, um den Bürgermeister und die Amtsleiterrunde von der Notwendigkeit all dieser Mehrkosten zu überzeugen (und der war dabei stets im Blickkontakt mit dem Kämmerer, der ja auch nicken musste!), um letztlich dessen Unterschrift unter dem Nachtragsangebot der Baufirma zu erwirken – sie konnte insofern durch die verantwortlichen Sachbearbeiter (die ja alle noch da sind) auch lange geübt werden – es ist für mich deshalb kaum vorstellbar, dass diese Verfahrensregeln nun beim Thema Volkshaus in Vergessenheit geraten oder neuerdings gar abgeschafft worden sein sollten.

Und wenn der Bürgermeister bei seiner Einschätzung bleibt, auch er selbst habe erst vor zweieinhalb Wochen von diesen Mehrkosten erfahren, dann erhebt sich doch die Frage, wer denn diese Mehrleistungen vor geraumer Zeit und offensichtlich ohne deren finanzielle Absicherung außenwirksam ausgelöst hat? Der Architekt kann das nicht gewesen sein, denn dem ist jegliche Vertretung des Auftraggebers auf der Baustelle vertragsmäßig untersagt – blieben noch die „kleinen Mitarbeiter“, die sich aber zu meiner Zeit stets gehütet haben, derart leichtfertig zu handeln und das bestimmt auch hier nicht getan haben.

Viel wahrscheinlicher erscheint mir die Variante, dass man angesichts des vom Bürgermeister ja sehr frühzeitig „wahl“- versprochenen Fertigstellungstermins für das Volkshaus und dessen Einhaltung im Umgang mit den ja lange prophezeiten Mehrkosten „alle Fünfe hat gerade sein lassen“, die Mehrkosten zwar erahnt, im Moment aber erst mal nicht verinnerlicht, sondern verniedlicht hat, um die Einweihungsfeierlichkeiten, die damit einhergehende Euphorie, den Jubel der Bevölkerung und das gewogene Medienecho abzuwarten und sich diese Eigendynamik dann leicht zeitverzögert bei der Präsentation der nunmehr bereits entstandenen und somit unabwendbaren sowie der nun nochmals neu erkannten Mehrleistungen und dem vorliegenden Antrag auf überplanmäßige Ausgaben zwei Wochen später gegenüber dem Stadtrat zunutze zu machen und möglichen Zweiflern in der Stadtratsrunde dann mit „moralisch angehauchten“ Argumenten zur Volkshaussanierung im Allgemeinen, die doch sicherlich niemand schlechtreden wolle, gegenzuhalten, derer sich dann ja auch tatsächlich einige wenige Redner aus der Runde bedienten – an dieser Stelle völlig vorbei am Thema, weil unstrittig!

Die den Stadträten durch den Bürgermeister nun zugesicherte Excel- Tabelle der bereits ausgeführten Mehr- und Zusatzleistungen wird nun hoffentlich Aufklärung geben, wann und in welcher Höhe welche Mehr- oder Nachtragsleistung zur Bestätigung durch die Baufirmen angeboten und dann durch den Auftraggeber zur Ausführung freigegeben, d.h. beauftragt wurde – und natürlich durch wen konkret, und dann wird man ja sehen, welche Leistung sachlich und zeitlich unabweisbar war oder auch nicht.

Und wenn man zwischenzeitlich erkannt hat, nun auch für die Raumakustik und die Rauchmeldeanlage noch einiges nacharbeiten lassen zu müssen (was natürlich zu diesem Zeitpunkt auch richtig ist), dann müssen dafür die entsprechenden Pläne auf den Tisch und auch diese Mehrkosten „auf Heller und Pfennig“ ermittelt werden, um eben keine stets anfechtbare „Pauschal- Million“ strapazieren zu müssen.
Und wenn schließlich, wie ja im Beschlussantrag vorgeschlagen, auch die im aktuellen Haushalt geparkten, aber wohl auch in 2018 nicht mehr benötigten Mittel für die Baumaßnahme Erlebniswelt Dampflok (Haushaltsausgaberest, wohl schon aus 2017) nun zur Deckung dieser Mehrkosten aufgebraucht werden sollen, wird man sich zu gegebener Zeit wohl erneut Gedanken machen müssen, wie die Stadt Meiningen auch dieses Vorhaben dann wieder von Neuem durchfinanzieren will und ob sie es ggf. überhaupt noch kann – denn die Rücklage ist ja wohl nun endgültig aufgebraucht.

Bleibt nur zu hoffen, dass das Volkshaus nicht auch weiterhin ein stetes „Zuschussgeschäft „ wird – die nächsten Monate und Jahre werden es zeigen!

Rolf Kölsche

Leider wurde dieser Leserbrief beim Abdruck in der Tageszeitung sehr gekürzt und damit auch inhaltlich entwertet